Das Gipfelbuch

in den Gipfelbüchern der Rohnspitze geblättert – von Schumm (Heinz Grabitzki)

gipfelbuchEs ist allgemein bekannt, dass der am Ende des 19. Jahrhunderts noch unbenannte Gipfel im „Großen Dom“ am 16.10.1898 von Heinrich Rohn und seinen Seilgefährten erstmals bestiegen wurde. Fortan nannte man diesen Felsklotz „Rohnspitze“.
Rohn war in Böhmen, im heutigen Frydlant 1871 geboren und später Hofrat in Innsbruck, wo er 1929 verstarb.
Über die unmittelbar nachfolgenden Besteigungen existieren leider keinerlei Dokumente. Wir wissen nur, dass Wendschuh und Hoyer am 03.07.1904 die 10. Besteigung gemacht hatten. Am darauf folgenden Sonntag (so Wendschuh in seinen Memoiren) waren sie beide gemeinsam mit Kühn, Elsner, Göpfert und Scheffler wieder auf dem Gipfel.
Wieviel mal unser Fels vor 1913 betreten wurde, kann nur wage mit ca. 150 eingeschätzt werden. Die Gipfeldokumente vor 1913 könnten vermutlich in einem Klubarchiv-Schrank aufbewahrt worden sein, der 1945 dem Bombenangriff auf Dresden zum Opfer fiel.
Seit 1913 ist nun jedoch fast jede Besteigung der Rohnspitze dokumentiert. Das erste im SBB-Archiv vorhandene Gipfelbuch unseres Felsens wurde am 02.11.1913 gelegt. Es zeigt auf der Titelseite erstmals unser Klubabzeichen, gezeichnet von Karl Hradetzky (Signum K in H), und mit einem Stempel „Eigentum der Klettrervereinigung Rohnspitzler“ bezeugt es unsere Besitzrechte.
Das Buch weist mit Nachträgen zurück bis zum März 1913 (Dr. George Christophe und Frau Dr. Frida Christophe). Die beiden waren bis Sept. 1936 (!) insgesamt viermal auf dem Gipfel. Sie dürfte die erste Frau sein, welche die Rohnspitze betrat.
Die in den Büchern vorgenommene Zählung der Besteigungen basiert auf einem Irrtum. Man hatte die Nachträge mit „1“ beginnend numeriert und alle folgenden Partien übernahmen diese Zählung. So tragen die 4 Partien, welche sich unter dem 08.08.1913 (alles Rohnspitzler) nachtragen, die Nr. 1 bis 4 und ein darauf folgender Nachtrag vom März 1913 die Nr. 5 (!).
Unter dem 05.04.1914 ist eine Elise Lindner als Erste eingetragen. Ob sie vorstieg oder ihr Begleiter Dr. W. Fischer nur galant ihr beim Einschreiben den Vortritt ließ, wissen wir nicht. Wiederum steht sie unterm 16.10.1921 auch an erster Stelle. Sie ist die zweite Frau auf der Rohnspitze. Bis 1939 ist sie noch zweimal als Nachsteigerin bei Fischer genannt.
Am 28.9.1919 wird eine 100. Besteigung gezählt. Der uns allen bekannte Emanuel Strubich war bis 1920 viermal solo auf dem Gipfel. Unterm 02.05.1920 ist mit Martha Poßner und Else Seidel die erste Frauenpartie eingetragen.
Gewechselt wurde das Buch am 25.05.1920 von Felix Wendschuh. Im neuen zweiten Buch schreibt sich die Seilschaft um Wendschuh nochmals ein, zählt aber die Begehungen nicht mehr weiter. Das Buch besitzt kein Titelblatt. Der Stempel: „Eigentum des Sächsischen Bergsteigerbundes e.V. Dresden“ könnte bei der Archivierung des Buches vom Gipfelbuchausschuss getätigt worden sein.
Im Oktober 1920 wird plötzlich wieder mit einer Nr. 28 sporadisch weiter gezählt und im August 1926 gibt es schließlich eine 302. Begehung über den Alten Weg. Das 25. Klubjubiläum der KVR 1929 wird erstmals besonderes hervorgehoben. Das 2. Buch wird im April 1930 geschlossen.
Ab 1930 klafft eine Lücke bis zum Juni 1934. Am 17.06.1934 legt die „KV Lorenztürmer 1921“ das dritte Buch. Es dokumentiert die Besteigungen bis zum Mai 1956. Der Rohnspitzler Theo Müller begrüßt zum ersten Mal das Jahr 1937 mit „BERG HEIL“. 1943 wird erstmals das neue Jahr mit einem Spruch gefeiert:
„Drum Bergeswald und Wiesental, das neue Jahr mag’s bringen,dass ich bei euch noch manches Mal mein Berg Heil lasse klingen.“
Eine Zweierseilschaft besucht 1945 (Ende – 2.Weltkrieg) im September als einzige den Gipfel. Sie grüßt: „Berg Heil 1945 – Dem Fels die Treue!“ Die Eintragung zum 50. Klubjubiläum 1954 stammt wiederum von Hradetzky.

rohnspitzeDas vierte uns vorliegende Gipfelbuch dokumentiert die Zeit von Mai 1956 bis Juli 1972. Gelegt wird es von Wulf Scheffler am 21.05., nachdem er die 11. Begehung auf den Nordostweg (Dolch) macht. Mit 259 Besuchern im Jahre 1959 ist der Gipfel bis dato am stärksten frequentiert.
Die sog. Sozialistische Sportbewegung macht sich breit: „Bereit zur Arbeit und zur Verteidigung des Friedens“ ist das neue Schlagwort. Die Firmierung „Landessportausschuss Sachsen-Sektion Touristik“ war dann irgendwann nicht mehr aktuell.
Das fünfte Buch legt Klaus Niziak am 24.07.1972. Er wechselt die Kapsel. Es liegt 17 Jahre bis zum 11.06.1989. Das Folgende und damit sechste Gipfelbuch liegt bis zum 03.07.2004.
Unser Mitglied Franz Elger dürfte mit Abstand der häufigste Besucher sein. Seit 1950 war er bis 1989 insgesamt 31-mal auf dem Gipfel. 11-mal sicherte er sich die Jahreserste.
Das neue Jahr wurde insgesamt 30-mal mit einem sinnigen Spruch begrüßt, davon 9-mal mit unserem Klubspruch („Bitte mal was Neues“ steht 1988 dahinter).
Nach erfolgter Auszählung und vorsichtiger Schätzung dürfte die Rohnspitze seit ihrer Erstbesteigung bis heute rund 10.000–mal besucht worden sein. Zum 75. Klubjubiläum der KVR am 07.07.1979 waren 46 Personen auf dem Gipfel.
Nachdenkliches und Heiteres:
Wir alle haben gelernt, nur unsere Besteigungsdaten im Gipfelbuch einzutragen und so soll es auch bleiben. Das Nachschlagen in alten Büchern wäre aber gewiss eintöniger, wenn nicht „Verantwortungsbewusste“ und „Renitente“ ihre Kommentare abgegeben hätten. So ist u. A. zu lesen:
  • Unter dem 22.06.1919 schreiben sich 3 Rohnspitzler mit dem Satz ein: „Erste Klubtour nach 4½–jähriger Pause durch Einziehung zum Militär“(Ende – 1.Weltkrieg).
  • Nachdem der Dresdner Skiclub am 28.05.1922 oben war, schreibt Martin Wächtler: „Warum stellten Sie, verehrte DSCer die Kapsel mit dem Deckel nach unten, dass am 25.6. die Kapsel genau zur Hälfte mit Wasser gefüllt war?“
  • Die Jahreserste 1930 wird mit einem buntfarbigen Schweifstern von Bergfreunden des DÖAV, Sekt. Dresden, Jugendgruppe begrüßt. Dies wird von Nachfolgenden kommentiert: „Die Kerle sollten sich schämen!“
  • Gerhard Walpert schreibt Mitte des Jahres 1947 als Datum: 15.6.“45″.
  • Den Forstleuten wird 1985 für die Bekämpfung des Borkenkäfers im Dom gedankt: „Ein weiterer Schritt in die lichte Zukunft des sozialistisch gestalteten Waldes“ – Losung der FDJ („Freie Deutsche Jugend“, Organisation der DDR): „Wir sind schneller als der Borkenkäfer“. „Aber nur in der zunehmenden Verkalkung“ schreibt Einer dahinter, und der Nächste: „Gehört nicht in ein Gipfelbuch!“
  • Der Titel einer Seilschaft vom „Hydrierwerk Zeitz“ wird mit „Uninteressant“ kommentiert.
  • Die Jahreserste 1989(!) wird mit den Worten begrüßt: „Stell Dir vor, es ist Krieg und Keiner geht hin“.
Alles in Allem ist es recht interessant, die alten Bücher zu durchblättern…